Page 42 - Gehaltvoll 6.3
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gehaltvoll: Alltägliche Selbstverständlichkeiten entstauben


        Der ge|halt|volle Begriff 6.3/////////////////////


       Implizites Wissen












        Der Pool für Weisheit               tungen, doch wir gehen ihnen zu      unbewusst als Weisheitswissen in
                                            wenig nach, fragen zu wenig wei-     den vergangenen Jahren mit ge-
        Eine der Fragen, die die Weisheits-  ter, ob die Schlussfolgerungen auch   steuert hat, mir zum implizierten
        forschung beschäftigen, lautet:     richtig erfolgten und ob das wirk-   Wissen geworden ist.
        Woher nehmen wir die Informati-     lich Wichtige in den Blick genom-    Um nicht missverstanden zu wer-
        onen für Weisheit?                  men wurde.                           den, es ging 2011 nicht um tech-
        Der Pool für Weisheitswissen wird   2011 nahm ich vor, mir am Ende       nische Lernprozesse, zum Beispiel,
        dort als implizites Wissen bezeich-  eines jeden Tages einige Minuten    was kann ich heute lernen, um
        net.                                Zeit zu nehmen, um meinen Tag        mein Auto selber reparieren zu
        Laut Wikipedia bedeutet dies „Im-   auszuwerten. Nicht so sehr, was      können, sondern um Fragen, die
        plizites Wissen  oder  stilles Wis-  kann ich besser machen oder was     im Fokus von Weisheit stehen, wie
        sen (vom englischen tacit know-     ist gut gelaufen und was motiviert   solche zu Lebensfragen und um in
        ledge)“, vereinfacht ausgedrückt,   mich zur Dankbarkeit, nein, son-     Krisen Rat geben zu können. Ich
        „können, ohne sagen zu können,      dern als Suchfrage sollte mich lei-  wollte bewusst mein implizites
        wie“. Jemand „weiß, wie es geht“,   ten, ob es eine Weisheitsbotschaft   Wissen bereichern. In mir bewegte
        aber sein Wissen steckt implizit in   dieses Tages gibt, was ich aus die-  sich zusätzlich als Gebet die Fra-
        seinem Können, ihm fehlen die       sem Tag grundlegend lernen kann.     ge, was ich aus diesem Tag lernen
        Worte, um dieses Können zu be-      An 192 von 365 Tagen habe ich        kann und darf und welche allge-
        schreiben.                          mir  etwas notiert.  Das  empfinde   meinen Regeln sich an einzelnen
        Dieser Pool füllt sich in unseren   ich als eine gute „Quote“. Aus heu-  Ereignissen erkennen lassen.
        Lebensjahren mit ausgewerteten      tiger Sicht waren darunter jedoch    Zwei solche Goldstücke aus dem
        Lebenserfahrungen.  Und  diese      viele Gedanken, die mir heute gar    Jahr  2011 möchte ich  jetzt zum
        ausgewerteten Lebenserfahrungen     nicht mehr bewusst sind, wenn ich    Schluss noch verraten. Sie sind
        bieten  den  Hauptstoff  für  Weis-  sie noch einmal lese. Ich kann nur   sehr persönlich, aber ich hoffe,
        heit.                               hoffen, dass all das Notierte mich   dass sie trotzdem verständlich sind:
        Die hebräische Tradition zentriert                                       8. Januar 2011: Gedanken zu „auf
        sich um solche weitergegebenen                                           Turbo schalten“, sich anstrengen:
        Lehrweisheiten.                                                          Neigen  wir dazu, zu früh aufzu-
        Natürlich können wir  Weisheits-                                         geben? Müssen alle großen Dinge
        sprüche in der Bibel lesen oder in                                       abgerungen werden? Welche Rol-
        der gesamten Kulturgeschichte,                                           le spielt dabei eine mentale Kraft
        aber egal wo sie stehen und wie                                          (Vorstellungskraft, Willenskraft,
        wahr sie auch sein mögen, sie                                            Glaubenskraft)? Was bedeutet es,
        müssen erst verarbeitet durch                                            in diesem Überlegungskontext et-
        unser Leben hindurch, bis sie in                                          was zu tun, was man nicht will?
        uns und durch uns Frucht brin-                                              22. Juli 2011: Wenn du gibst,
        gen.                                                                        bekommst du etwas zurück.
        Nach meinen Beobachtungen                                                   Wer wenig gibt, bekommt we-
        nehmen wir uns kaum Zeit, unsere                                         nig. Das gilt im Leben, im Mitein-
        alltäglichen Erfahrungen bewusst                                         ander, im Gespräch. Geben = sich
        auszuwerten. Natürlich geschehen                                         zeigen, etwas beitragen, geben,
        immer wieder zufällige, schnelle                                         schenken.
        und mehr unbewusste Auswer-



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